Polymer-Tantal-Kondensatoren – Auswahlkriterien für Entkopplungskondensatoren

08.02.2023 Know-How

Entkopplungskondensatoren verhindern nicht nur, dass Spannungseinbrüche und Störspitzen auf den Versorgungsleitungen an den Schaltkreis in der Applikation gelangen und deren Funktionalität beeinträchtigen. Bei einer optimalen Auswahl können auch Kosten, Fläche des Designs sowie der Stromverbrauch im Ruhezustand reduziert werden.

Für die Verwendung von Entkopplungskondensatoren gibt es viele Gründe: Sie werden an den Versorgungspin am IC geschaltet und beseitigen dort Hochfrequenzrauschen, bevor dies die Funktionalität der ICs beeinflusst oder stört. Zudem glätten sie hochfrequente Spannungsspitzen, die durch Schaltregler verursacht werden. Spannungs- und Stromripple von DC/DC-Wandlern sind generell ein Problem gerade in Anwendungen wie der Sensor-Messtechnik.  

Darüber hinaus fungiert der Entkopplungskondensator als lokaler Energiespeicher. Während kurzer Stromunterbrechungs- oder Entkopplungszeitfenster (typischerweise µs-Bereich) bzw. während der Schaltintervalle eines Schaltnetzteils, versorgt er das IC mit der benötigten Energie.

In der Regel entfallen zwischen 30 % und 80 % oder sogar mehr einer Stückliste auf Entkopplungskondensatoren. Der konkrete Anteil ist abhängig von Art und Anforderungen der auf der Leiterplatte eingesetzten aktiven ICs, von Form und Größe der Eingangsenergie sowie von den EMV-Anforderungen bei Störfestigkeit und Rauschen. Die Auswahl optimaler Entkopplungskondensatoren kann also dazu beitragen, Kosten, Platzbedarf sowie Stromverbrauch im Ruhezustand erheblich zu reduzieren. Gute Gründe, sich genauer mit der Auswahl von Entkopplungskondensatoren zu beschäftigen.

Vor- und Nachteile typischer Entkopplungskondensatortypen

Die im Folgenden betrachteten Entwürfe sind hauptsächlich für analoge, digitale oder Mixed-Signal-Systeme gedacht, die mit Versorgungsspannungen von maximal 50 V versorgt werden. Diese Spannungsebene wird in der Regel auf 1 V, 1,3 V, 1,8 V, 3,3 V, 5 V, 10 V oder 12 V herunter gewandelt.

Entkopplung von Kapazitäten bis 10 µF

Bei Spannungen bis zu 50 V und Kapazitäten bis 330 nF sind C0G-basierte keramische Vielschicht-Kondensatoren (MultiLayer Ceramic Capacitors, MLCC) die beste aktuell verfügbare Technologie in Bezug auf Platzbedarf, Kosteneffizienz und Leckstromeigenschaften.

X7R/X5R-basierte MLCCs sind für Kapazitäten bis zu 10 µF die Kondensatoren der Wahl. Hier muss jedoch das DC-Bias-Verhalten beachtet werden, um die erforderliche Kapazität bei der tatsächlichen Anwendungsspannung zu gewährleisten.

Tantal- oder Aluminium-Polymerkondensatoren können im Bereich von 5 µF bis 10 µF eingesetzt werden. Sie haben in der Regel jedoch höhere Leckströme, sind teurer und größer – der kleinste aus dem Kemet-Portfolio ist ein 0805 (2012 in mm).

Eine Pufferkapazität im Bereich von 8 µF - 10 µF bei 5 V kann beispielsweise erreicht werden durch:

  • einen X7R-basierten MLCC mit 10 µF (8,2 µF @ 5 V-DC Bias), 10 V, 1206, z. B. dem C1206C106K8RACTU aus dem Kemet-Portfolio
  • oder einem Polymer-Tantal-Kondensator mit 15 µF, 6,3 V (mit Spannungsderating), 3528 (vergleichbar Bauform ~1210 MLCC), z. B. dem T520T156M006ATE100 von Kemet.

Die X7R-Lösung bietet allerdings Vorteile durch ihre kleineren Abmessungen, dem niedrigeren Preis, dem geringeren Leckstrom und ihrer höheren Rippelstromfestigkeit – bei 100 kHz ein Faktor von fast sechs.

Entkopplung von Kapazitäten größer 10 µF

Für die Entkopplung großer Kapazitäten (> 10 µF, VDC < 50 V) werden traditionell entweder eine X7R / X5R MLCC-Bank, Elektrolytkondensatoren/-kondensatorbänke oder Folienkondensatoren auf Polyester- oder Polypropylenbasis eingesetzt. Hier gibt es jedoch einiges zu beachten.

X7R / X5R MLCC-Bänke mit hohen Nennspannungen werden zur Kompensation des DC-Bias-Effekts eingesetzt. Hier werden viele Kondensatoren parallel geschaltet, was teuer ist und viel Platz braucht. Der Platzbedarf steigt zusätzlich mit der erforderlichen Entkopplungskapazität. Außerdem erhöht sich der Leckstrom und dessen praktische Bestimmung für das gesamte Design wird komplexer.

Es ist eine zusätzliche Kompensation erforderlich, um die hohen Kapazitätsanforderungen bei hohen Temperaturen zu erfüllen. Deshalb empfiehlt sich meist eine parallel geschaltete Kombination aus unterschiedlichen Kondensator-Technologien. Zum einen für die Filterung höherer Frequenzen und zum anderen für die Filterung niedriger Störungen wie z. B. 50/60 Hz-Brummen oder Vibrationen im einstelligen Hz-Bereich. Gleichzeitig besteht ein hohes Risiko der Rissbildung, wenn X7R-Kondensatoren übermäßigen mechanischen Vibrationen ausgesetzt sind.

Elektrolytkondensatoren bzw. Elektrolytkondensatorbänke besitzen im Allgemeinen eine höhere Rippelstromfestigkeit. Allerdings sind sie oft überdimensioniert, um diese Erhöhung zu gewährleisten. Dies ist erforderlich, um höhere Reihenersatzwiderstände (Equivalent Series Resistance, ESR) auszugleichen bzw. zu reduzieren. Da der ESR über die Lebensdauer zunimmt, wird der Kondensator zusätzlich überdimensioniert, um Probleme zu vermeiden. Das erhöht jedoch den Platzbedarf und die Kosten.

Im Vergleich zu MLCCs besitzen Elektrolytkondensatoren einen hohen Leckstrom. Der Kapazitätsabfall mit der Frequenz kann zu Problemen bei der effektiven Filterung einer großen Bandbreite von Frequenzen führen. Um alle Frequenzen abzudecken, ist oft ein weiterer parallel geschalteter MLCC erforderlich. In der Regel werden THT- (Through Hole Technology) Elektrolytkondensatoren verwendet, was wiederum zu Herausforderungen bei der Bestückung führt.

Folienkondensatoren auf Polyester- oder Polypropylenbasis sind nicht anfällig für Risse oder hohe Leckströme und haben eine höhere Rippelstromfestigkeit. Folienkondensatoren, die die gleiche Kapazität/Nennspannung wie MLCCs oder Elektrolytkondensatoren erreichen, sind vergleichsweise groß und teuer.

Kosten und Platzbedarf senken mit Polymer-Tantal-Kondensatoren

Polymer-Tantal-Kondensatoren vereinen viele Vorteile, die die oben genannten Technologien nicht vollumfänglich bieten können. Das fängt bereits beim verwendeten Material an: Anders als bei konventionellen Tantal-Kondensatoren wird das MnO2 durch ein elektrisch leitendes Polymer ersetzt. Im Falle einer Verpolung oder eines Kurzschlusses besteht somit keine Brandgefahr.

Im Gegensatz zu MLCCs haben sie zudem keinen DC-Bias-Effekt. Somit ist keine Kondensatorbank nötig, um spannungsabhängige Kapazitätsverluste auszugleichen. Auch ist die Kapazität von Polymer-Tantal-Kondensatoren nicht temperaturabhängig und es besteht bei ihnen kein Risiko von Rissbildung oder Brummgeräuschen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass sie eine höhere Rippelstrombelastbarkeit als Elektrolytkondensatoren besitzen. Darüber hinaus ist ihr Kapazitätsabfall bei hohen Frequenzen nicht so signifikant, was zu einer besseren Hochfrequenzfähigkeit führt. Auch der Leckstrom ist teilweise geringer als bei Elektrolytkondensatoren.

Ferner unterliegen Polymer-Tantal-Kondensatoren keinem Aging-Effekt und der ESR bleibt während der Lebensdauer konstant. Ein hohes Kapazitäts-Volumen-Verhältnis ermöglicht kompakte SMD-Bauformen von 0805 bis zu 7343.

Tabelle 1 vergleicht die Parameter der unterschiedlichen Kondensatortypen, die nötig sind, um die Anforderungen eines Bürstenlosen-Gleichstrommotor- (BLDC) Moduls mit mindestens 30 µF bei 16 V, einem Gesamtrippelstrom von ungefähr 10 A bei 10 kHz, einem Leckstrom unter 100 µA und einer Temperatur bis 105 °C zu erfüllen.

Die Tabelle zeigt, dass durch den Einsatz von Polymer-Tantal-Kondensatoren im Vergleich zu MLCC- oder Elektrolytkondensatoren viel Fläche und damit Kosten eingespart werden kann. Hinzu kommen eine höhere Lebensdauer, ein besseres Hochfrequenzverhalten und ein kompaktes SMD-Gehäuse.

Polymer-Kondensatoren auf Aluminium- oder Tantal-Basis

Neben den Polymer-Tantal-Kondensatoren werden auch Polymer-Aluminium-Kondensatoren immer beliebter. Bei einer Betriebsspannung unter 10 V und einer Temperatur unter 105 °C ist das Verhalten der beiden Polymerkondensatoren sehr ähnlich. Werden diese Werte überschritten, arbeiten jedoch Polymer-Tantal-Kondensatoren zuverlässiger.

Allerdings weisen sie auch gewisse Nachteile auf. So sind sie derzeit nur bis zu einer Nennspannung von 100 V erhältlich. Für Temperaturen bis 105 °C wird ein Spannungsderating von mindestens 10 % empfohlen, das bei höheren Temperaturen noch höher ausfällt (Bild 1).

Da es sich um einen gepolten Kondensator handelt, sollte eine Verpolungsschutzdiode zum Schutz vor umgekehrten Polaritäten verwendet werden. Der Leckstrom ist im Vergleich zu einem MLCC oder einem herkömmlichen Tantal-Kondensator höher. Besondere Aufmerksamkeit gilt der spezifizierten Luftfeuchtigkeit bei hohen Temperaturen, um Probleme aufgrund von hohen THB- (Temperature-Humidity-Bias) Bedingungen zu vermeiden.

Entkopplung großer Kapazitäten in sicherheitskritischen Anwendungen

Polymer-Tantal-Kondensatoren kommen dann zum Einsatz, wenn es um die Entkopplung großer Kapazitäten für alle Arten von Steuerplatinen und eingebetteter Elektronik geht. Ihre kompakte, flache SMD-Bauweise macht sie zu einem idealen Bindeglied zwischen MLCCs mit kleiner Kapazität und Elektrolyt- und Folienkondensatoren mit großer Kapazität, die typischerweise als DC-Link Kondensatoren für hohe Spannungen und hohe Energieanforderungen genutzt werden.

Viele Polymer-Tantal-Kondensatoren sind für den Einsatz auf beiden Seiten eines Gleichspannungswandlers in einem Fahrzeug validiert und zugelassen. Damit gewinnen sie bei großen Automobilherstellern bereits an Bedeutung. In kleinen Antriebssystemen können sie auch als DC-Link Kondensator eingesetzt werden (wie im obigen BLDC-Beispiel gezeigt).

Kemet und Rutronik unterstützen ihre Kunden dabei, mit hochwertigen und zuverlässigen Polymerkondensatoren eine platz- und kostenoptimierte Lösung für deren Leiterplatten zu finden.

 


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Spannungsderating von Polymer-Tantal-Kondensatoren in Abhängigkeit der Temperatur. Quelle: Kemet – a Yageo company

Vergleich zwischen häufig eingesetzten Entkopplungskondensatortechnologien am Anwendungsbeispiel BLDC-Modul